Mailand – Lungenkrebs-Patienten werden bei einer Erkrankung an COVID-19 möglicherweise gegenüber anderen Patienten benachteiligt. Die Ergebnisse eines Patientenregisters im Lancet Oncology (2020; DOI: 10.1016/ S1470-2045(20)30314-4) zeigen, dass nur jeder zehnte, der die Kriterien für eine Intensivbehandlung erfüllte, auch auf einer Intensivstation behandelt wurde. Dabei haben Lungenkrebspatienten Chancen, die Erkrankung zu überleben, auch wenn die Sterberate hoch ist.
Die Überlebenszeiten von Lungenkrebspatienten haben sich in den letzten Jahren dank neuer Behandlungen (Tyrosinkinaseinhibitoren, Immuntherapie) verbessert. Dies hat dazu geführt, dass während der derzeitigen COVID-19-Pandemie auch häufiger Lungenkrebspatienten in den Kliniken behandelt werden. Viele Ärzte stufen die Prognose dieser Patienten allerdings als so schlecht ein, dass sie eine Behandlung auf einer Intensivstation nicht in Betracht ziehen.
Die „Thoracic Cancers International COVID-19 Collaboration“ (TERAVOLT) hat deshalb ein internationales Patientenregister eingerichtet, an dem sich in 8 Ländern 42 Zentren beteiligen. Bis zum 12. April wurden Daten zu 200 Patienten gesammelt, die Marina Garassino vom Istituto Nazionale dei Tumori in Mailand und Mitarbeiter jetzt ausgewertet haben.
Die meisten Patienten (76 %) litten an einem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC), der häufigsten Lungenkrebsform, für die Tabakrauchen der wesentliche Risikofaktor ist. Bei den anderen Patienten lag ein kleinzelliges Bronchialkarzinom (15 %) oder einige seltene Tumorformen im Thoraxbereich (Thymom, Karzinoid oder Mesotheliom) vor. Die meisten Patienten erhielten zum Zeitpunkt ihrer COVID-19-Erkrankung ihre Erstlinientherapie, die heute die Überlebenszeit deutlich verlängern kann.
Von den 152 Patienten, die in einem Krankenhaus behandelt wurden, erfüllten nach Einschätzung von Garassino 134 (88 %) die Kriterien für die Überweisung auf eine Intensivstation. Dort wurden allerdings nur 13 Patienten (10 %) tatsächlich behandelt, von denen 9 mechanisch beatmet wurden. Die Gründe wurden von den Ärzten in der Regel nicht mitgeteilt. Allerdings hatten nur 6 Patienten eine Intensivbehandlung abgelehnt.
Garassino vermutet, dass die begrenzten Kapazitäten auf dem Höhepunkt der Epidemie – die meisten Patienten stammten aus Italien, Frankreich und Spanien – dazu geführt haben, dass die Lungenkrebspatienten in einer Triage von der Intensivbehandlung ausgeschlossen wurden, weil die Ärzte der Ansicht waren, dass die Patienten ohnehin kaum Überlebenschancen hätten.